Die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (kurz: JMStV) soll Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Inhalten im Internet schützen. Am 10. Juni 2010 haben die Ministerpräsidenten das Änderungsgesetz zum JMStV beschlossen. Momentan wird in den Landesparlamenten, so auch in NRW, über die Annahme dieses Vertrages diskutiert. Im Kern der Debatte steht die geplante Einführung einer Alterskennzeichnung von Inhalten im Internet, die von Kritikern für inpraktikabel und Rechtsunsicherheit schaffend gehalten wird. Über Sendezeitbegrenzungen und die Vorschaltung von technischen oder sonstigen Mitteln soll das Ziel des Schutzes erreicht werden.
Den Schutz von Kindern und Jugendlichen wird kein vernünftiger Mensch anzweifeln. Nur was hier in Gesetzesform umgesetzt werden soll, ist fernab von jeglichen Realitäten. So bezieht sich der angestrebte Vertrag lediglich auf in Deutschland beheimatete Internetseiten. Über eine freiwillige Selbsteinschätzung oder durch die Dienste von Kontrollstellen, die offiziell von der „Kommission für Jugendmedienschutz“ (KJM) anerkannt wurden, soll eine Altersklassifizierung erreicht werden. Der kommerzielle Einsatz dieses Dienstes wird nicht kostenfrei angeboten werden.
Jedoch endet das Internet nicht an den Grenzen Deutschlands. Außerdem müsste geklärt werden, ab welcher Schwelle ein Angebot im Internet als kommerziell gilt (Mindestbeitrag bei der FSM: 4.000 Euro pro Jahr). Ebenfalls könnte Anbietern von Serverlösungen und Internetangeboten in Deutschland durch die Abwanderung bzw. die hohen Anforderungen ein wirtschaftlicher Schaden entstehen.
Traurig ist, dass viele gut bezahlte Personen sich mit einer wirklich schlecht ausgearbeiteten und am Ziel vorbeigehenden Gesetzesvorlage beschäftigen. Warum werden Gesetze, Novellierungen und Verträge dieses Politikbereiches nicht endlich in Kooperation mit etablierten Experten entwickelt (z.B. dem Chaos Computer Club)? So hat die allseits (un)beliebte Ursula von der Leyen mit ihrem Nichtwissen das in der Sache wirkungslose und inhaltlich schwer bedenkliche Zugangserschwerungsgesetz umsetzen wollen, welches jedoch glücklicherweise nach breiter Diskussion nicht in der vorgesehenen Form in Kraft trat.
Auch die Fraktion der Grünen in NRW hat gedacht, dass eine Umsetzung des JMStV eine kleine Kröte ist, die sie in Regierungsverantwortung zu schlucken hat. Eine Nachricht über den Account der Grünen NRW auf Twitter hat zu einem breiten Aufschrei in der Netzgemeinde gesorgt. Erst der weite und teilweise sehr schrille Protest von vielen Nutzern scheint die Umsetzung der Vertrages doch noch verhindern zu können. Sicherlich besorgt um ihre Umfragewerte sind SPD und Grüne nun schnellstens zurückgerudert und distanzieren sich von einer Zustimmung.
Sinnfreie Gesetze, die am Wählerwillen vorbeiführen, sorgen in der Art nur für eine verstärkte Politikverdrossenheit. Kommunikation über das Internet ist eben nicht bloß virtuell, sondern für den Nutzer erst einmal ganz real und konkret. Immer wieder wird mit den Neuen Medien die Hoffnung von einer Demokratisierung der Distributionskanäle in Verbindung gebracht. Gesetze und Verträge die weiterhin am Ziel vorbeiführen gefährden jedoch alle neuen Freiheiten grundlegend.