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Koalitionsvertrag NRW 2010 zur Medienpolitik

Zur Stunde entscheidet der Koalitionsausschuss im Düsseldorfer Landtag über den Jugendmediensschutz-Staatsvertrag. Hier einige Auszüge aus dem im Juli 2010 vereinbarten Koalitionsvertrag von der SPD und den Grünen:

NRW Digital – Qualität und Vielfalt ausbauen
Nordrhein-Westfalen verfügt über beste Voraussetzungen, als Medienland wieder eine Vorreiterrolle einzunehmen – quantitativ und qualitativ. Hier leben kreative und hoch motivierte Menschen, NRW hat eine dichte Hochschul- und Forschungslandschaft und innovative und innovationsbereite Unternehmen in allen Schlüsselbranchen.

Unsere Demokratie braucht eine starke, unabhängige und vielfältige Medienlandschaft, von der alle profitieren können – denn der Zugang zu Informationen und Wissen ist wichtiger denn je. Medien sind für uns immer beides: Kultur- und Wirtschaftsgut.

Zur Grundlage einer lebendigen Demokratie gehören Unabhängigkeit und Vielfalt der Medien, eine Stärkung von Bürgermedien und Blogs sowie ein Breitbandzugang für alle. Ob Fernsehen, Radio, Zeitung oder Angebote der neuen Medien: Meinungsvielfalt und Unabhängigkeit müssen Vorrang vor Meinungsmacht und möglichen Meinungsmonopolen haben. Weltweit agierende Konzerne dürfen die Meinungsvielfalt und den Zugang zu Informationen durch ihre Geschäftsmodelle nicht einschränken.

Wir werden das duale Rundfunksystem stärken. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt gerade in einer immer vielfältiger werdenden Medienlandschaft eine unverzichtbare Säule. Wir stehen zur Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Im Internetzeitalter gehört dazu auch ein öffentlich-rechtliches werbefreies digitales Angebot im Internet als „dritte Säule“ neben Hörfunk und Fernsehen, die ebenso weitgehend werbefrei durch die Abgabe finanziert werden sollen.

Durch medienpolitische Anreize wollen wir sicherstellen, dass private Veranstalter sowohl ihrer wirtschaftlichen Zielsetzung als auch ihrer öffentlichen Aufgabe gerecht werden können. Dabei setzen wir verstärkt auf koregulierte Selbstregulierung. Zugleich wollen wir in föderaler Verantwortung das Medienkonzentrationsrecht weiterentwickeln, um beispielsweise die Meinungsrelevanz von Telemedienangeboten und die Rolle von Suchmaschinen besser zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch die Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten des Landtags und der Bürgerinnen und Bürger bei medienpolitischen Entscheidungen.

(…)

Die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sichern
Unsere Vision eines sozial und digital vernetzten Zusammenlebens ist nicht vereinbar mit der Idee eines Überwachungsstaates. Das Recht auf Privatsphäre gilt analog wie digital. Für verbotene Inhalte gilt das Gebot „Löschen statt Sperren“. Wir setzen auf das Internet und wissen: Rechtsstaatlichkeit und auch Rechtsdurchsetzung erfolgen in allen Bereichen unseres Lebens. Das Internet darf nicht zum bürgerrechtsfreien Medium werden! Wir wenden uns gegen jede digitale Bevormundung und gegen jede Form der Zensur.

Wir wollen eine datenschutzfreundliche Verbraucherschutzpolitik umsetzen und uns zugleich aktiv an der Weiterentwicklung eines modernen Urheberrechts mit dem Ziel, Urheber zu schützen und zugleich Barrieren für Nutzerinnen und Nutzer abzubauen, beteiligen. Die Netzneutralität sollte gesetzlich festgeschrieben und die Zugangsprovider darüber verpflichtet werden, ihren Kunden Inhalte diskriminierungsfrei durchzuleiten.

Der Koalitionsvertrag ist komplett abrufbar unter:
SPD NRW
Grüne NRW

JMStV

JMStV

Die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (kurz: JMStV) soll Kinder und Jugendliche vor gefährdenden Inhalten im Internet schützen. Am 10. Juni 2010 haben die Ministerpräsidenten das Änderungsgesetz zum JMStV beschlossen. Momentan wird in den Landesparlamenten, so auch in NRW, über die Annahme dieses Vertrages diskutiert. Im Kern der Debatte steht die geplante Einführung einer Alterskennzeichnung von Inhalten im Internet, die von Kritikern für inpraktikabel und Rechtsunsicherheit schaffend gehalten wird. Über Sendezeitbegrenzungen und die Vorschaltung von technischen oder sonstigen Mitteln soll das Ziel des Schutzes erreicht werden.

Den Schutz von Kindern und Jugendlichen wird kein vernünftiger Mensch anzweifeln. Nur was hier in Gesetzesform umgesetzt werden soll, ist fernab von jeglichen Realitäten. So bezieht sich der angestrebte Vertrag lediglich auf in Deutschland beheimatete Internetseiten. Über eine freiwillige Selbsteinschätzung oder durch die Dienste von Kontrollstellen, die offiziell von der „Kommission für Jugendmedienschutz“ (KJM) anerkannt wurden, soll eine Altersklassifizierung erreicht werden. Der kommerzielle Einsatz dieses Dienstes wird nicht kostenfrei angeboten werden.

Jedoch endet das Internet nicht an den Grenzen Deutschlands. Außerdem müsste geklärt werden, ab welcher Schwelle ein Angebot im Internet als kommerziell gilt (Mindestbeitrag bei der FSM: 4.000 Euro pro Jahr). Ebenfalls könnte Anbietern von Serverlösungen und Internetangeboten in Deutschland durch die Abwanderung bzw. die hohen Anforderungen ein wirtschaftlicher Schaden entstehen.

Traurig ist, dass viele gut bezahlte Personen sich mit einer wirklich schlecht ausgearbeiteten und am Ziel vorbeigehenden Gesetzesvorlage beschäftigen. Warum werden Gesetze, Novellierungen und Verträge dieses Politikbereiches nicht endlich in Kooperation mit etablierten Experten entwickelt (z.B. dem Chaos Computer Club)? So hat die allseits (un)beliebte Ursula von der Leyen mit ihrem Nichtwissen das in der Sache wirkungslose und inhaltlich schwer bedenkliche Zugangserschwerungsgesetz umsetzen wollen, welches jedoch glücklicherweise nach breiter Diskussion nicht in der vorgesehenen Form in Kraft trat.

Auch die Fraktion der Grünen in NRW hat gedacht, dass eine Umsetzung des JMStV eine kleine Kröte ist, die sie in Regierungsverantwortung zu schlucken hat. Eine Nachricht über den Account der Grünen NRW auf Twitter hat zu einem breiten Aufschrei in der Netzgemeinde gesorgt. Erst der weite und teilweise sehr schrille Protest von vielen Nutzern scheint die Umsetzung der Vertrages doch noch verhindern zu können. Sicherlich besorgt um ihre Umfragewerte sind SPD und Grüne nun schnellstens zurückgerudert und distanzieren sich von einer Zustimmung.

Sinnfreie Gesetze, die am Wählerwillen vorbeiführen, sorgen in der Art nur für eine verstärkte Politikverdrossenheit. Kommunikation über das Internet ist eben nicht bloß virtuell, sondern für den Nutzer erst einmal ganz real und konkret. Immer wieder wird mit den Neuen Medien die Hoffnung von einer Demokratisierung der Distributionskanäle in Verbindung gebracht. Gesetze und Verträge die weiterhin am Ziel vorbeiführen gefährden jedoch alle neuen Freiheiten grundlegend.

Wulff vs. Gauck

Am 11. Juni geht es los. Nahezu ganz Deutschland wird in Schwarz-Rot-Gold gehüllt sein. Doch das für Deutschland eigentlich bedeutende Ereignis findet am 30. Juni, einen spielfreien Tag, statt. Es war gar nicht so einfach einen Termin zu finden, der nicht durch fußballerische Glückseligkeit Ablenkung findet.

Für die Wahl des Bundespräsidenten hat die Schwarz-Gelbe Koalition den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff vorgeschlagen. Als Gegenkandidaten nominierte die SPD zusammen mit den Grünen den protestantischen Pfarrer und ersten Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Joachim Gauck. Die Regierungsparteien haben einen Juristen, Parteisoldaten und Vollblutpolitiker aufgestellt. Es war sogar die Rede von angeblichen Rücktrittsdrohungen Wulffs, wäre er für das Amt des Bundespräsidenten nicht nominiert worden. Dieser Bericht wurde jedoch strikt zurückgewiesen. Wulff habe jedoch „beherzt zugegriffen“, als ihm die Chance für Köhlers Nachfolge angeboten wurde.

Mit Joachim Gauck haben SPD und Grüne einen Kandidaten aufgestellt, der auch schon in den Reihen der CSU als Kandidat für das Bundespräsidentenamt diskutiert wurde. So war es sicherlich ein guter Schachzug von Rot-Grün mit Gauck einen „linken, liberalen Konservativen“ aufzustellen. Eine Mehrheit scheint trotz aller Sympathie nur schwer in der Bundesversammlung erreichbar zu sein. Die Stimmen der Linkspartei wird Gauck als Aufbereiter der Stasi-Hinterlassenschaft nur schwer auf sich vereinen können. Die besten Worte zur Vorstellung von Joachim Gauck kommen jedoch gerade von Angela Merkel. Sie hielt zu seinem 70. Geburtstag eine Rede, die auch für seine Nominierung hätte herhalten können:

„[…] Weil wir immer wieder Debatten brauchen, weil wir uns immer wieder miteinander austauschen müssen, ist es so gut, dass wir Sie, Herr Gauck, haben. Denn Sie legen den Finger in die Wunde, wenn Sie eine Wunde sehen, aber Sie können auch Optimist sein und sagen: Es geht voran. Beides brauchen wir. Danke, dass es Sie gibt. Danke, dass Sie weiter da sind.“

Der Horst

Gestern wollte dann unser Horst nicht mehr. Keiner konnte ihn mehr bewegen noch weiter zu machen. In einer wirklich nur zweiminütigen Rede erklärte der bisherige Bundespräsident Horst Köhler seinen Rücktritt. Nachdem mich diese Meldung erreicht hatte suchte ich nach den originalen Wortlauten seiner Rücktrittsmeldung und seines kritisierten Interviews. Ich wollte sehen, ob eine Kritik an seinen Aussagen wirklich angemessen war, oder ob bloß ein sinnloser „shit-storm“ auf ihn niedergegangen war. Nach dem Lesen des Interviews war mir aber klar, dass man bei derartigen fraglichen Aussagen zu Auslandseinsätzen auch Kritik ertragen muss. Hier einen fehlenden Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten zu unterstellen scheint fragwürdig und dünnhäutig.

Interessant ist bei der Entwicklung der geäußerten Kritik, dass sie nicht zuerst durch die klassischen Medien formuliert wurde, sondern es waren Beiträge in Blogs, die zu einer abermaligen Befassung mit dem entsprechenden Interview Köhlers geführt haben. Die klassischen Medien waren viel zu sehr mit dem Rücktritt von Roland Koch beschäftigt, um auch noch Köhlers Rede angebracht zu analysieren. Am gestrigen Tag konnten lediglich Vermutungen für den Rücktritt vorgebracht werden – woher sollte man eine echte Begründung auch nehmen – mit Sicherheit nicht aus der zweiminütigen Rede. Die Frage danach, wie viel Kritik eine einzelne Person ertragen muss und kann muss anscheinend nochmals diskutiert werden. Es schien jedoch so, dass der Rücktritt bei anderen Politikern näher lag. Finanzminister Wolfgang Schäuble lässt sich trotz schwerer Krankheit und fortlaufender inhaltlicher Kritik nicht von seiner Verpflichtung in der Krise abhalten. Auch wenn ich mit seiner Politik sicherlich nicht übereinstimme zeigt er mit seiner Ausdauer gerade den Gegenentwurf zu Horst Köhlers Rücktritt.

Durchregieren

Die neue Sitzverteilung des Düsseldorfer Landtags ist am 9. Mai von den verbliebenen Wählern entschieden worden. Wieder einmal dasselbe Gebären am Wahlabend. Die Parteien mit Verlusten verkaufen sich als die moralischen Gewinner. Und die wirklichen Verlierer versuchen zu erklären, dass dieses Ergebnis keinen negativen Einfluss auf ihre Beteiligungsoptionen hat. Diese Logik muss sich dem Wähler erst einmal erschließen. Jedoch kennen wir dieses Spiel ja schon zu genüge.

Am 9. Juni konstituiert sich der neue Landtag und benötigt damit auch einen neuen Ministerpräsidenten inklusive seiner Regierungsmannschaft. Die Auswahl der möglichen Koalitionen hat sich mit dem heutigen Tag auf genau Eine reduziert. Auf der einen Seite der weiteren Optionen verabschiedete sich die FDP, die sich einmal einen etwas erweiterten Freiheitsbegriff fernab der Wirtschaft erarbeiten müsste. Auf der anderen Seite schied die Linkspartei aus, die lieber ehemalige Mitarbeiter des DDR-Auslandsgeheimdienstes grüßt anstatt sich der Realität zu stellen und konstruktiv mitzuregieren. Dann also mal die Große Koalition für NRW. Durchregieren ohne gemeinsame politische Projekte. Bis zur Wahl der neuen Landesregierung muss dann aber zwischen CDU und SPD noch ein Haufen Entscheidungen getroffen werden. Wer uns dann bald als Landesvater oder Landesmutter gegenübersteht zeigt sich im Juni.